Urlauber brauchen Klarheit

Täglich gibt es neue Gerüchte: Der Türkei-Urlaub startet wieder, heißt es heute, Türkei-Urlaub ist nicht in Sicht, heißt es morgen. Die Verwirrung ist groß, niemand kann und will im Augenblick sagen, wann und wie es weitergeht. Ein Kommentar:

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Wann werden sich die Strände in der Türkei wieder füllen? Natürlich mit dem gebotenem Abstand zwischen den Liegestühlen. Foto: dha

Ein Kommentar

„Mitte Juni geht es wieder los“, schreiben die einen – „es wird mindestens bis 1. Juli dauern, bis sich etwas tut“, behaupten die anderen. Genaues weiß freilich niemand. Es werden Mutmaßungen angestellt ohne Ende und tagtäglich aufs Neue durch Zeitungen, Fernsehen und soziale Netzwerke an die ratlosen Leser und Zuschauer transportiert. Die sind die Leidtragenden der allgemeinen Verwirrung, weil Sie nicht vernünftig planen können und nicht wissen, wie es wirklich weitergeht mit den früher mal schönsten Wochen des Jahres. Soll ich buchen oder abwarten? Soll ich stornieren oder kann ich mich doch auf die Ferien freuen?

Schuld daran, an dieser Einsicht führt kein Weg vorbei, ist zuallererst die Unklarheit über die Entwicklung von Covid-19 und über die wahre Lage der Epidemie in einzelnen Ländern. Da wird den Menschen, wie in Rußland oder Brasilien, nicht immer reiner Wein eingeschenkt. Länder, die Erfolge in der Bekämpfung der Epidemie haben und ehrliche Zahlen verbreiten, leiden darunter.

Ein gerüttelt Maß Mitschuld am allgemeinen Chaos hat freilich auch die Politik. Die Bundesregierung hat zwar die Reisewarnung für 31 europäische Staaten zum 15. Juni aufgehoben, sich zu außer-europäischen Zielen aber nicht festlegen lassen. „Einige Zeit“ werde man noch brauchen, bis man sich ein Bild über die Lage in der Türkei gemacht habe und über die Aufhebung der Reisewarnung dort entscheiden könne, sagt Bundesaußenminister Maas. Anders klingt das beim Berliner Tourismusbeauftragten Bareiß: Recht gut sehe es mit der Türkei aus, er würde sich wundern, wenn der Reiseverkehr dorthin noch lange blockiert würde.

Was gilt denn nun? Die einen glauben Maas und nehmen ihn zum Maßstab ihrer Entscheidungen; manche Reiseveranstalter und Airlines sagen in der Folge Reisen und Flüge ab oder zögern sie hinaus. Die anderen vertrauen auf Bareiß und machen sich Mut. Vor allem türkische Hoteliers, Gastronomen und Autovermieter, die um die für sie und die Türkei so wichtige Sommersaison bangen, nehmen jeden kleinen Hoffnungsschimmer zum Anlass, Optimismus zu verbreiten. An dem und dem Termin fliege doch schon eine Maschine, freuen sie sich – und verdrängen dabei, dass deutsch-türkische Ferienflüge in größerem Umfang und mit verlässlichem Flugplan noch keineswegs sicher sind. Man wünscht den Mutmachern von Herzen, dass sie Recht behalten, doch garantieren kann das potentiellen Urlaubern zurzeit niemand. Ungewollt tragen freilich auch die berufsmäßigen Optimisten dazu bei, die Verwirrung zu steigern.

Weil die Verwirrung so groß ist, wird kaum eine Frage in den sozialen Netzwerken so häufig gestellt wie diese: Wann kann ich denn wieder in die Türkei fliegen? Wird meine Maschine am soundsovielen Juni, Juli oder August tatsächlich starten?

Am heutigen Tag weiß man sicher nur, dass die Innenminister der EU haben in Abstimmung mit den Außenministern einen halbwegs klaren Fahrplan für die Grenzöffnung innerhalb Europas aufgestellt, bei den Plänen für die Außengrenzen der Gemeinschaft aber ein heilloses Durcheinander angerichtet haben. Die derzeitigen Beschränkungen wurden erst einmal bis zum 1. Juli verlängert. Die EU-Kommission soll Leitlinien erarbeiten, nach denen Zug um Zug und mit Rücksicht auf die epidemiologische Situation entschieden wird, zu welchen Ländern die Gemeinschaft sich wieder öffnet.

In den vergangenen Tagen und Wochen haben sich die türkischen Behörden redlich bemüht, mit einzelnen europäischen Regierungen zweiseitige Vereinbarungen über den Reiseverkehr zu schließen, doch spielten die EU-Innenminister da nicht mit. Sie wollen „differenzierte, aber innerhalb der EU abgestimmte Lösungen“. Will heißen: Nur nach einem gemeinsam Beschluss der gesamten EU soll es Lockerungen auch in Richtung Türkei geben.

Doch wieso eigentlich? Erstens dauert es oft unnötig lange, bis die EU gemeinsame Linien findet. Zweitens sind die Interessen innerhalb der EU so unterschiedlich wie die Corona-Lage in den einzelnen Ländern: die einen haben kaum neue Erkrankungen, die anderen sind noch lange nicht über den Berg. Einige EU-Staaten möchten sich Zeit lassen, weil sie so der eigenen Tourismusindustrie Vorteile verschaffen. Wieder andere haben es nicht eilig, weil ihre Bürger – anders als die deutschen – wenig Interesse an der Türkei haben. Für die Bundesbürger freilich ist die Türkei das drittliebste Urlaubsland überhaupt. Fünf Millionen Deutsche haben das Land am Bosporus letztes Jahr besucht, und sie haben Anspruch darauf zu wissen, was Sache ist.

Helfen sollen jetzt Experten des „Europäischen Zentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten“. Sie sollen die Corona-Daten der Staaten in allen Teilen der Welt auswerten und dann Empfehlungen erarbeiten. In Brüssel hieß es, erst wenn diese vorliegen, sei eine teilweise und behutsame Öffnung der Außengrenzen „nicht mehr undenkbar“. Als möglicher Termin für erste Öffnungen gilt in Brüssel jetzt der 15. Juli.

Ob das stimmt? Wir wissen es, ehrlich gesagt, nicht. Und wir fürchten, dass es auch die Bundesregierung nicht wirklich weiß. Die Zeche dafür zahlen die deutsche und türkische Tourismusbranche sowie Hunderttausende verunsicherte Urlauber, die endlich wissen wollen, woran sie sind. Viel Zeit darf sich die Politik mit klaren Entscheidungen nicht mehr lassen.

1 Kommentar

  1. Aber es gibt tägliche Flugverbindungen, in Deutschland gibt es NUR eine Warnung , was kein verbot ist, ich will und möchte fliegen, warum darf ich das nicht??????

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